Neuer Name, neues Glück

Hilft ja alles nix: Die Behörden kreisten, und wir müssen uns umbenennen. Nur wie? Das Logo steht, zeigt das Kürzel GHG für Güterhallengenossenschaft und soll unbedingt so bleiben. Unsere Lösung: GHG Automobiles Kulturerbe eG. Wir verbinden die nun abgekürzte Güterhallengenossenschaft mit dem Schlüsselbegriff, der im Zentrum unseres Tuns steht. Denn die Halle, so sehr wir sie mögen, dient vor allem dem Zweck, automobiles Kulturerbe zu bewahren, zu pflegen und samt unzähligen Geschichten lebendig zu erhalten.

Die Mitglieder tragen diese Lösung alle mit, zeigt eine schnelle Umfrage. Nur reicht gut gemeint und Ja gemurmelt natürlich nicht: Es muss ein ordentlicher Beschluss her, einstimmig und von allen (!) unterschrieben. Corona allerdings untersagt Versammlungen vor Ort. Also versuchen wir es virtuell – und es sind tatsächlich alle, alle, alle zum vereinbarten Zeitpunkt am Abend des 13. Dezember 2020 an ihren Rechnern, Tablets oder Smartphones. Formalistisch korrekt stimmen wir ab, und weil es dann eben noch die Unterschriften braucht, pfeilt Vorstand Matthias, einem akribisch ausgefeilten Fahr- und Zeitplan folgend, per Fahrrad kreuz und quer durch die Mannheimer Winternacht. Die Genossen zeichnen schnell, und Matthias ist wieder in seinem sicheren Zuhause, bevor die Bürgersteige um 20 Uhr hochgeklappt werden, weil die Corona-Regeln das derzeit so vorschreiben.

Voilà. Unser neuer Name steht. Ab sofort heißen wir GHG Automobiles Kulturerbe eG i.G.

Jetzt geht es darum, dieses blöde Kürzel i.G. noch zu löschen. Wir wollen nicht mehr in Gründung sein, sondern richtig sein – mit allen Rechten und voll geschäftsfähig.

Timing ist alles: Nach einem streng getaktetem Zeitplan radelte (!) Vorstand Matthias am Abend des 13. Dezember 2020 quer durch Mannheim, um alle Unterschriften unter dem wichtigen Umlaufbeschluss zu sammeln. Hat geklappt!

Endlich: Unterschrift beim Notar

Es ist der 19. Oktober 2020, und unser Vorstand trifft sich beim zuständigen Notar zur Unterschrift. Leider liegt an diesem Tag noch nicht der Kaufvertrag auf dem Tisch. Immerhin können Lutz und Matthias unsere Genossenschaft ordentlich ins Genossenschaftsregister eintragen lassen. Oder die Eintragung beantragen. Oder so ähnlich.

In Folge prüft die zuständige Genossenschaftsregistereintragungszulassungsbehörde, die in Wahrheit zwar völlig anders heißt, aber genau diesen Namen verdient hat und deswegen hier so umschrieben wird. Sie arbeitet, sagen wir es vorsichtig, aus grundsätzlichen Erwägungen nicht im Hochdrehzahlbereich. Immerhin reichte ihr Grunddrehoment selbst im Corona-Modus noch aus, um in engem Schulterschluss mit der Industrie- und Handelskammer (IHK), die aus irgendeiner Verordnung heraus eine unbedingte, uns allerdings unverständliche Zuständigkeit in Sachen Namensprüfung für sich reklamierte, nach ausgiebiger, gründlicher und sicher äußerst sorgfältiger Abwägung irgendwann im Dezember zu diesem finalen Schluss zu gelangen: Ihnen taugt unser Name nicht.

Echt jetzt? Denen gefällt unser Name nicht? Güterhallengenossenschaft Mannheim, so dachten wir bislang, sei so einfach wie treffend ein Name, der genau das sagt, was wir sind.

Neinneinnein. Man könne schließlich, so die von Amts wegen vorgetragene These, ja zu der Vermutung gelangen, dass eine Güterhallengenossenschaft Mannheim alle Güterhallen in Mannheim betreibe oder zumindest sehr, sehr viele, also quasi ein Mannheimer Güterhallenmonopolist sei, was zweifelsohne eine charmante Idee ist, bedenkt man all’ den Platz und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben.

Wir aber wollen erstmal kleine Brötchen backen. Ein Brötchen. Und müssen uns nun einen neuen Namen überlegen. Mist.

Lutz (links) und Matthias walten als Vorstände ihres Amtes: Sie zeichnen wichtige Papiere beim Notar. Hier ist es die Eintragung unserer Genossenschaft im zuständigen Genossenschaftsregister

Hafenrundfahrt: Da liegt sie in ihrer voller Pracht

Regelmäßig pilgern wir zurück zu ihr. Zu unserem einstigen Riesenspielzimmer. Dem Partyplatz. Der Rampengrillanlage. Und vor allem dem Parkhaus und Teilelager, das diese Halle mit ihrem schier unendlichen Platz uns bot.

Diese Abendausflüge sind Motivationsbooster. Es ist Hochsommer 2020. Geben wir auf? Niemals.

Dass diese Halle einst als Umschlagplatz für Waren diente, zeigt sie von hinten. Direkt von Güterwaggons aus kann sie angedient werden. Alles Geschichte. Für uns diente sie als Hotspot für historisches Blech. Und das soll auch wieder so kommen – hoffen wir voller Bangen im Corona-Sommer 2020

Es wird Frühling, und nichts will werden

Die Zeit geht ins Land. Im Kalender steht der 8. April, wir fahren Patrouille im Hafen. Einfach mal nachschauen, ob die Halle noch steht. Unsere Halle oder die, die unsere einmal war und endlich unsere werden soll. Richtig, als Eigentümer, für immer.

In diesem seltsamen Corona-Frühling verhandeln wir mit dem Eigentümer. Notieren wir an dieser Stelle, dass dieser Prozess ein zäher ist. Wir lernen eines: Er muss nicht verkaufen. Vielleicht will er auch nicht verkaufen. Oder schon, aber nur teuer. Er hat keinen anderen Interessenten, aber den braucht er auch nicht, er hat ja uns. Immerhin reicht unser phantastisch weit gespanntes Netzwerk bis hin zu einem unabhängigen und vereidigten Baugutachter. Der sagt uns, was die Halle wirklich wert ist. Das interessiert uns sehr, den Verkäufer wiederum nicht. In Sachen Preisfindung hat er andere Ideen.

Solange genießen wir das milde Abendfrühlingssonnenlicht auf dunkelrotem Ziegelwerk. Ach, es könnte so schön sein, wenn …

Können brachliegende Flächen in Industriehäfen Orte der Sehnsucht sein? Es gibt Fragen, die sich uns einfach nicht stellen. Vor allem dann nicht, wenn der Blick auf eine große, leere Ziegelsteinhalle fällt

Genossen, Ihr habt Fragen? Auf zum Info-Abend!

Was ist das bloß: eine Genossenschaft? Warum diese Form und keine andere? Wo kann ich unterschreiben? Selbst wir Genossen sind, vorsichtig ausgedrückt, Anfang 2020 noch in einer Lernphase. Nur Lutz, unser Vorstand, kennt das Konstrukt und hat damit eine Menge Erfahrung. Deswegen haben wir ihn auch direkt zum Vorstand gewählt.

Klar, es gibt jede Menge Fragen. Lutz und Vorstandskollege Matthias bringen uns jede Menge harte Fakten an jenem 19. Januar 2020 mit. Es ist unmittelbar vor Corona, wir können uns einfach so treffen – alle in einem Raum im Mannheimer Platzhaus, dem Restaurant unseres Vertrauens auf dem Mannheimer Alten Messplatz.

Wer an diesem Tag ins Platzhaus kommt, weiß hinterher alles über Genossenschaften. Zumindest so viel, wie er wissen muss um mitzumachen, zum Beispiel also, dass diese Form von Unternehmung genau die ist, die uns ideal helfen kann, unseren Traum zu erfüllen. Der steht weiter unverrückbar fest: Wir wollen unsere Halle kaufen, in der wir neun Jahre gelebt haben. Na ja, zeitweise. Wir wollen unsere Heimat zurück!

Zu einem großartigen Frage-Antwort-Nachmittag treffen sich Genossen und solche, die es werden wollen. Alles völlig locker, und doch merken wir: Jetzt haben wir nicht nur einen Traum, sondern eine Agenda. Plötzlich gibt es jede Menge neue Meilensteine in unserem Leben, die wir gemeinsam erreichen wollen

Gründungstag!

Keine Reden mehr. Taten! Am 19. Dezember 2019 treffen sich zehn Freunde in der Mannheimer Neckarstadt, um unserem Traum der eigenen Halle – ja, genau: DER EIGENEN HALLE – einen Riesenschritt näher zu kommen. Ein Abend, ein Ziel: Als wir auseinandergehen, ist unsere Güterhallengenossenschaft Mannheim eG i.G. – kurz: GHG – formal gegründet.

Das Gründungsdokument mit den zehn Unterschriften macht uns stolz. Es zeigt jedem von uns, wie ernst wir es meinen. Wir wissen, dass ein langer Weg vor uns liegt. Wie lange er am Ende werden soll, wie steinig und schwierig – ja, auch das ahnen wir an diesem Dezemberabend bereits, irgendwie. Und vielleicht ist es auch gar kein Riesenschritt gewesen. Aber ganz sicher ist es der erste, der jetzt allen zeigt, wie ernst wir diesen Plan nun nehmen. Irgendwann werden unsere Oldtimer wieder ein Zuhause haben.

Tolle Einladung, leider täuscht das Bild: In unserer Halle können wir uns bereits nicht mehr treffen. Als wir die Genossenschaft gründen, liegt der Auszug bereits fast ein Jahr zurück

Alles muss raus: Der Auszug aus unserer geliebten Halle

Stichtag ist der 31. Dezmeber 2018, 24 Uhr: Bis dahin müssen wir unsere Halle geräumt haben. Okay, wir wissen, der Vermieter steht nicht um Mitternacht auf der Rampe und tippt mahnend auf die Uhr. Aber den 3. oder 4. Januar hat er avisiert.

Wir arbeiten alle hart in diesen Tagen. Manche rund um die Uhr, und immer ist eine helfende Hand parat, wenn einer sie braucht. Hallensolidarität. Zeit für Tränen bleibt nicht. Alles muss raus! Wir haben rund 2400 Quadratmeter Fläche zu räumen. Und glaubt uns: Nur wenige steigen einfach in ihr Auto und fahren es heraus. Es wird gepumpt, gerollt, geschoben, auf Anhängern und in Siebeneinhalbtonnern verzurrt, absurde Not-Depots zum Einlagern ausfindig gemacht. Noch zwei Jahre später hat einer von uns seine Autos nicht wieder eingesammelt. Eines steht, so hofft er, noch in einer Werkstatt bei Leipzig. Andere in Würzburg und bei Groß-Gerau.

In diesen Tagen zwischen Weihnachten und Silvester 2018 machen wir Schrotthändler glücklich. Sammler kommen und nehmen Autos mit, Teile, Antiquitäten. Wir pendeln zu den Entsorgern. Allein über drei Tonnen Altpapier müssen weg. (Warum genau nochmal hatten wir die hier herein geschleppt?)

Dann sind wir fertig. Die Halle – unsere Halle, unsere Heimat seit rund neun Jahren – ist Geschichte. Fast. Denn einer kommt nicht, zieht nicht aus. Es dauert dann noch neun zähe Monate, bis auch unter diesem Kapitel ein Strich gezogen ist. Im September 2019 wechseln wir die Schlösser und unterzeichnen das Rückgabeprotokoll.

Adieu, geliebte Halle! Nie wieder Feste auf unserer Rampe.

Nie wieder?

Na, das glauben wir selbst noch nicht.

Hallenumzüge stellen immer sehr spezielle Aufgaben. Gut, wenn wenigstens die Logistik stimmt: Den langen Sprinter leiht uns ein Hausmeister, der Anhänger gehört uns. Nur: Wohin mit all’ den Autos?